Nichts ist schöner als bei super Wetter mit dem Moped einen Pass zu stürmen und Kurve für Kurve die Faszination der Alpen zu erfahren. Nach einer knappen Woche Planung ging’s dann Anfang Juni los. Gepäckrolle und Tankrucksack aufs Moped geschnallt und ab auf die Autobahn Richtung Frankreich.

Um möglichst wenig Kilometer auf Autobahnen zu verbringen, fuhren wir schon kurz hinter der französischen Grenze wieder runter von der Autobahn und rein ins Chaos. Was nutzt das beste Roadbook, wenn auf den Schildern die gesuchten Orte nicht auftauchen? Nach einer Ehrenrunde durch alle möglichen Vororte von Audincort kamen wir dann tatsächlich auf der gesuchten Landstraße D 437 raus und glühten den Alpen entgegen. Eigentlich sollte diese Straße nur als erträgliche Anfahrt herhalten, kurz hinter Morteau folgte sie jedoch einer durch einen kleinen Fluss in den Fels gewaschenen Schlucht. Ein einmaliger Anblick und Entschädigung für die vergeudete Zeit beim Suchen der Straße.
Bei Vallorbe passierten wir dann die Grenze zur Schweiz und bummelten auf der 9 Richtung Genfer See. Weil wir keine Lust auf Autobahn hatten und auch nicht willig waren Maut zu zahlen, ging’s dann auf der 9 am Genfer See entlang durch Lausanne und die unzähligen Orte die sich dort aneinanderreihen. Da uns schon seit geraumer Zeit Nacken und Hintern schmerzten und es schon spät wurde, bogen wir in Pully auf gut Glück Richtung See von der Straße ab, schlängelten uns durch die Altstadt bis zum Hafen und stiegen in einem kleinen Hotel direkt am See ab. Ein leckeres Essen und ein guter Wein auf der Terrasse des Hotels und schon war die Welt wieder in Ordnung.

Am nächsten Morgen ging’s dann auf in die Alpen. Nach einer gemütlichen Runde um den halben See verließen wir die viel befahrene Straße und schlängelten uns den Pas des Morgin rauf zurück nach Frankreich. Eigentlich wollten wir dann das Bergmassiv auf einer als befahrbar gekennzeichneten Straße überqueren, doch schon am Fuß des Berges wurden wir (und einige andere Biker) von einer Straßensperre überrascht. Das allgemeine Verhalten bei solchen Problemen ist - einfach weiterfahren und schauen, ob man nicht doch durchkommt. In diesem Fall hatten wir Glück. Die Straße war nach einem Erdrutsch zumindestens wieder freiplaniert worden. Leider war dann oben auf dem Pass endgültig Schluss, da die bis dahin asphaltierte Straße plötzlich in einen 50 cm breiten Wanderweg überging. Also wieder runter und aussen rum.
Über den Col du Corbier kamen wir dann schließlich auf die andere Seite und auf die legendäre D 902, die Route des Grand Alpes. Diese Straße schlängelt sich durch die gesamten französischen Alpen und ist so eine Art “Best of französische Alpenpässe”. Sinnvoller Weise ist diese Straße aber nicht durchgängig sondern in viele kleine Stücke zerteilt. Deswegen würde es auch keinen Sinn machen, ihr dauerhaft zu folgen, weil man sonst einfach mal an einem Straßenende steht.
Von Flusses aus ging es dann über den Col de la Colombiere nach La Clusaz. Diese Straße (wie fast alle anderen auch auf der Tour) ist fast unbefahren und schlängelt sich mitten durch unbewohntes Gebirge. Auf solchen kleinen Straßen ging’s dann weiter über den Col des Aravis bis nach Beaufort. Eigentlich hätten wir jetzt mal Tanken müssen doch die einzige Tanke in Beaufort hatte geschlossen. Ja super, es war Sonntag und Sonntags gab's wenn überhaupt nur Selbstbedienung mit Karte. Mit dem Sprit im Tank wären wir auf keinen Fall über den nächsten Pass gekommen. Also fuhren wir in die andere Richtung, um an der nächsten Gelegenheit etwas Treibstoff zu organisieren. Diese bot sich 15 km später in Form einer Supermarkttankstelle mit, man glaubt es nicht, Kreditkartentanke. Leider mögen diese Tanken keine deutschen Kreditkarten. Also kramten wir unser Bargeld raus und versuchten dem Nächsten der tankte irgendwie klarzumachen, dass er für uns bitte auch tankt und wir ihm das Geld dann geben.
Im Nachhinein muss ich sagen dass es ziemlich bescheuert ist nach Frankreich zu fahren, wenn keiner auch nur ein Wort Französisch spricht.
Mit vollem Spritfass ging’s dann über den Cormet de Roseland bis nach Bourg-Saint-Maurice. Dieses kleine Städtchen liegt an der D 902 und ist Motorradfahrer gewohnt. Direkt in der Ortsmitte gibt es einen Kreisverkehr mit Bikertreffpunkt. Direkt daneben ein ziemlich erbärmlich aussehendes Bikerhotel. Die Zimmer waren OK für eine Nacht, dafür war das Essen einfach lecker. Davon abgesehen hatte man von der Terrasse des Hotels (wo wir aßen) einen prima Blick auf den Kreisel nebst Bikertreffpunkt. Man glaubt gar nicht was für seltsam zusammengewürfelte Gruppen so durch die Alpen düsen.

Am nächsten Morgen holten wir die Mopeds aus der Garage und düsten ab in Richtung Col de Madeleine. Möglicherweise lag es an unseren nicht vorhandenen Sprachkenntnissen, jedenfalls folgten wir einem Schild auf dem Col de Madeleine und noch irgendwas stand. Die ganz angenehm zu fahrende Straße endete an ein paar Winterurlaubshütten. Hm, dann sind wir wohl irgendwo falsch abgebogen. Also zur nächsten Kreuzung zurück und den anderen Weg probiert.
Nach ein paar Metern waren wir uns sicher, richtig zu sein. Nach etwa 7 km auf einem 2 Meter breiten Asphaltbändchen standen wir auf einem Bauernhof. Und da war Ende Gelände. Mirko versuchte noch die Hofeinfahrt zu erkunden um dann in halsbrecherischer Manier auf der Terrasse des etwas überraschten Besitzers seine Kawasaki zu wenden. OK, das war’s also nicht.
Ein Weg blieb ja noch. Also frischen Mutes die Berge erklommen um dann an der nächsten Sackgasse entnervt aufzugeben. Auf dem Weg zurück fragten wir noch schnell ein paar Arbeiter am Straßenrand. Die sprachen gebrochen Englisch und erzählten uns was von Saint Oyen. Das kam mir irgendwie bekannt vor. Also zurück und hin zu diesem Kaff. An der Kreuzung mit dem verwerflichen Schild angekommen, ging es in die andere Richtung dann tatsächlich nach St. Oyen und von da aus dann ohne Umwege auch direkt über den Col de la Madeleine. Unterwegs sahen wir den Bauernhof, an dem wir geendet sind, dann noch mal von der eigentlichen Straße aus.
Der Pass war dann auch der erste 2000er, weswegen wir uns zu einer spontanen Rast entschlossen um ein Bild zu schießen. Die Straße führte uns weiter über den Col du Glandon und den Col de la Croix de Fer bis zu einem kleinen Örtchen namens Belleville. Weil dort wieder ein Pass ausgeschildert war, und wir ja zum Pässe fahren hier waren, entschlossen wir uns spontan die geplante Route zu verlassen und dem Schild zu folgen.
Der Pass selbst war dann irgendwie unscheinbar, dafür die weitere Straße ein Garant für einen zeitigen Wirbelsäulenschaden. Da wir nicht wirklich einen Plan hatten, fuhren wir nach Karte einfach weiter um wieder auf die eigentliche Route zu kommen. Für den lausigen Pass wurden wir dann mit einer Kurvenflut vom Feinsten belohnt. An einer ziemlich hohen Steilwand schlängelte sich die Straße mit einem unglaublichen Gefälle und mit mehr als 50 Kehren (wir haben dann nicht mehr mitgezählt) ins Tal. Weil man praktisch die ganze Zeit nur auf der Bremse stand, fingen die nach etwa der Hälfte der Abfahrt an, fiese quietschende Geräusche zu machen. Also eine Nothaltemöglichkeit anvisiert und den Anker geworfen. In dem halben Stündchen, die die Bremsen zum abkühlen brauchten, hatten wir viel Zeit über dieses Stück Asphalt zu philosophieren.
Im Tal angekommen wollten wir nur noch eins - wieder rauf auf die Berge! Es war so unerträglich heiss das man in der Lederkombi kaum noch Luft bekam. Abkühlung gab's dann in Form von massig Schnee und Eis auf dem Col du Galibier.
Von dort aus ging’s dann weiter nach Briancon wo wir eigentlich übernachten wollten. Da aber kein passables Hotel auszumachen war ging’s noch mal ein gutes Stück weiter bis nach Embrun. Dort hatten wir unsere Karren dann endgültig satt und wollten nur noch raus aus den Klamotten und was essen. Direkt auf dem Marktplatz gab es 4 Hotels. Also stellten wir die Mopeds in einer kleinen Gasse ab und checkten ein. Nach dem Essen gab's noch ein bisschen Stadt ansehen und dann noch ein Fläschchen Wein um den Abend geruhsam ausklingen zu lassen.


Von Embrun ging es auf einer sehr erholsamen Straße - was die Franzosen da in den Alpen als Straße bezeichnen ist kaum zu glauben - an einem Stausee entlang wieder zurück in die Hochalpen. Unseren eigentlichen Plan, auf der (schon wieder mal) D 902 den Col de la Cayolle zu erklimmen, endete abrupt an einer recht massiven Straßensperre. OK, wenn die Franzosen auf einem Schild 10 km vorher sagen “Route barree” dann meinen sie das wohl auch so. Die unfreiwillige Zwangspause nutze ich zu einem spontanen Abstieg in den kleinen Gebirgsfluss. Man glaubt gar nicht wie kalt das Wasser im Juni noch ist. Zuerst denkt man die Füße werden dir abgetrennt, aber schon Sekunden später merkt man einfach gar nix mehr.
Gott sei Dank gab's eine Alternativstrecke, was in dieser Gegend nicht wirklich selbstverständlich ist. Also zurück und über den Col d’Allos nach Colmars. Laut Karte wollten wir dann über den Col des Champs eine gut ausgebaute Straße quer durch die Bergkette nach Saint-Martin-d’entraunes nehmen. Nach ein paar Kilometern musste wir allerdings feststellen, dass an der Straße irgendwas fehlte. Der Asphalt. Augenscheinlich hatte im Winter ein massiver Bergrutsch die Straße auf mehreren Kilometern Länge weggerissen. Die französischen Straßenbauer hatten dann kurzerhand eine Planierraupe langgeschickt und eine schicke Schotterpiste in den Berg gefräst. Wie sich eine bepackte Straßenmaschine mit 120 Pferden auf Schotterpisten fährt lässt sich am besten als “Wie auf Eiern” beschreiben. Eigentlich hätten wir bereits stutzen müssen, dass uns auf der gesamten Strecke kein einziges Fahrzeug entgegen kam. Auf dem Pass trafen wir dann zwei andere deutsche Motorradfahrer. Während wir so dastanden und uns die Gegend ein wenig ansahen, sah der eine zu uns rüber und sagte: “Wir sind hier doch am Arsch der Welt, oder?”. Was soll ich sagen, irgendwie hatte er schon recht.
Wir düsten weiter auf fast leeren Gebirgsstraßen, vorbei an einigen Ziegen (die natürlich auf der Straße rumrannten) und mitten durch eine Herde Kühe die nur äußerst widerwillig die Fahrbahn freigaben. Bei Roure trafen wir dann auf die weit mehr befahrene D2565 die uns direkt zum höchsten asphaltierten Alpenpass bringen sollte. Doch zunächst holte mich das Benzinproblem wieder ein. Es war zwar Wochentags, aber das hilft einem nicht weiter wenn es einfach keine Orte mit einer Tankstelle gibt. Kurz vorm unausweichlichen Ende nahte jedoch die Rettung in Form eines Tankstellenwegweisers.
Mit vollem Tank und guter Laune stürmten wir den Col de la Bonette hinauf. Oben angekommen kletterten wir die knapp 60 Meter bis zum Gipfel und freuten uns des einmaligen Naturschauspiels eines Gewitters über einem der benachbarten Berggipfel. So ein Gewitter bewegt sich erstaunlich schnell und da wir keinen gesteigerten Wert darauf legten, als Blitzableiter zu dienen, ging’s hurtig abwärts ins Tal und wieder auf die D 902, die diesmal über den Col de Vars und den Col d’Izoard zu unserem Etappenziel Briancon führte.

Am nächsten Tag führte uns die Route zunächst zu einem kurzen Abstecher nach Italien. Von Susa aus ging’s dann zurück nach Frankreich vorbei am Lac du Mont Cenis über den gleichnamigen Pass nach Lanslebourg und dann, wieder auf der D902, hinauf zum Col de l’Iseran. Auf der Fahrt ins Tal erwartete uns in Val d’Isere eine böse Überraschung in Form eines riesigen Baufahrzeuges quer vorm Tunnel am Ortsausgang. Ein Motorrad ist zwar ein wendiges Gerät, aber da war selbst für uns Feierabend. Mit Händen und Füßen (hab ich schon erwähnt das es eine bescheuerte Idee ist ohne Französischkenntnisse nach Frankreich zu fahren?) unterhielten wir uns mit ein paar Jugendlichen, die mit ihrer Dose ebenfalls vorm Tunnel parkten. Aha, Straßenarbeiten. Aja, Vollsperrung. Ähem wann? 17 Uhr machen die die Straße wieder frei? Ja super, ist ja gerade erst Mittag um eins. Wie gut das es keine weitere Straße über das Bergmassiv gibt und die Umfahrung satte 200 Kilometer beträgt. Da wir also hier festsaßen, sollte es wenigstens ein zünftiges Mittagessen geben. Nur Leider hat Val d’Isere im Sommer geschlossen. Kein Witz, wir sind den gesamten relativ großen Ort abgefahren. Es gibt da nur Hotels, Restaurants und was man als Wintertourist so braucht, aber es hat im Sommer alles geschlossen. Also stellten wir die Mopeds auf dem zentralen Busplatz ab und warteten. Mit der Zeit gesellten sich noch eine ganze Reihe weiterer entnervter Biker dazu.
Kurz vor 17.00 düsten wir dann zum Ortsausgang und stellten uns brav (vorne ;o) in die Reihe von mittlerweile bestimmt 100 Motorrädern und 20 Autos die geduldig der Tunnelöffnung harrten. Wie es dann klingt und aussieht wenn 100 Bikes die tunnel- und kurvenreiche Abfahrt nach Bourg-Saint-Maurice hinunter brummen, kann man nicht beschreiben. Einfach nur schön...
Kurz vor Bourg-Saint-Maurice verließen wir die Motorradperlenkette und bogen in Richtung Italien ab, um den Col du Petit Saint-Bernard zu nehmen. Nach einigen endlos langweiligen Kilometern im Tal entlang ging’s dann kurz hinter Aosta wieder ab in die Berge zum Col du Grand Saint-Bernard. Wir verließen die Landstraße kurz vorm Tunnel und schlängelten uns den Pass hoch, als es (das erste und letzte mal auf dem gesamten Trip) anfing zu tröpfeln. Unter einer Brücke schlüpften wir schnell in die Regenkombis, doch das Tröpfeln wurde, begleitet von Blitzen und heftigem Donner, zu einem satten Gewitter. Da es schon reichlich spät war und wir keine Lust auf die Nummer als Blitzableiter hatten, beschlossen wir zurück zu fahren und im ersten Hotel das wir finden zu übernachten. Auf dem Weg hinab gab Petrus alles was er hatte. Im Schritttempo ging’s dann von Ort zu Ort, bis wir schließlich in Saint Oyen ein kleines Hotel fanden das geöffnet hatte.
Für 95 Euro inclusive einem guten Frühstück schliefen wir zu zweit sehr komfortabel. Da das Hotel im Sommer keine warme Küche hatte, schickte uns die Dame an der Rezeption zwei Häuser weiter in eine kleine Gaststätte. Was soll ich sagen. Wir wurden mit Köstlichkeiten überschüttet und sensationell gut unterhalten. Obwohl wir schon in der Gaststätte reichlich guten Wein konsumiert hatten, ließen wir den Tag bei einem weiteren Fläschchen im Hotel ausklingen.

Gut ausgeschlafen und satt packten wir die Mopeds und düsten den Pass hinauf. Ab Martigny lagen dann endlos lange Kilometer auf dem topfebenen Rhone-Tal vor uns. Erst ab Brig wurde die Landschaft erträglich. In Ulrichen beschlossen wir spontan uns selbst einen Gefallen zu tun und einen Kurztrip durch die Schweizer Alpen zu unternehmen. Der Nufenpass präsentierte sich flankiert von meterhohen Schneewänden. Den Gottard nahmen wir auf der Schnellstraße, um möglichst zügig die Automassen hinter uns zu lassen und bogen im Tal direkt zum Furkapass ab. Über Gletsch ging es dann direkt zum Grimselpass und dann abwärts in die Voralpen und über Brünigpass und Glaubenbüelenpass ins flache Land.
Weil wir immer noch keine Lust hatten, Mautgebühren zu zahlen, blieben wir auf der Landstraße 2 und schlichen mit durchschnittlich 60 km/h durch die Schweiz bis nach Rheinfelden. Wenn wir noch mal vor der Entscheidung Maut oder Landstraße stehen wird es mit Sicherheit die Maut.
Das letzte Stück Weg war dann wieder gute, überfüllte, deutsche Autobahn zurück bis nach Stuttgart.

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